Ich muss aus aktuellem Anlass etwas loswerden, das mir schon länger auf der Zunge brennt.
Folgendes Szenario: bei meiner Moderation unlängst hat eine Frau zu mir „müssen“, um über eigene Erlebnisse zu sprechen. Sprich wir hatten ein kurzes Interview, oder wie ich es immer lieber formuliere, wir haben – vor Publikum – einfach miteinander gesprochen. Zumindest hätte es ein „einfaches miteinander Sprechen“ werden sollen.
Passiert ist es etwas ganz anderes, und ich möchte hier nicht näher auf die Performance der Person eingehen, dafür schreibe ich diesen Artikel nicht. Es geht hier nicht primär um sie. Es geht um die Situation, in die sie offensichtlich eher unfreiwillig gebracht wurde, was der Auftritt mit ihr während unseres Talks machte und was das Ganze für Folgen haben kann.
Ich behaupte: ihre Präsentation – ja auch ein Interview bedeutet „sich präsentieren“ – war lebensverändernd. Im negativen Sinne.
Ich behaupte: sie wird nach diesem Auftritt nie wieder auf eine Bühne gehen und nie wieder öffentlich etwas sagen wollen, egal in welchem Setting.
Ich behaupte: dieser Auftritt war traumatisch für sie.
Und das finde ich unfassbar traurig und schade, weil so etwas vermieden werden kann. Das Problem ist ein gängiges. Menschen werden vom Chef, vom Lehrer oder sonst einer Person dazu aufgefordert, „... mal schnell eine Präsentation zu machen. Die ist übermorgen. Das geht schon.“ ohne Anweisungen und Hilfestellungen zu geben.
Eine Person zu einem öffentlichen Auftritt zu drängen – egal ob in der Firma, auf der Bühne oder sonst wo – ohne entsprechende mentale und praktische Präsentationsvorbereitung zu gewährleisten, ist fahrlässig und grenzt für mich an Körperverletzung und/oder Geistesverletzung. Fakt ist, es passiert Verletzung.
Hier sag ich Dir, welche Auswirkungen unvorbereitetes oder falsch vorbereitetes Präsentieren haben kann:
NIE WIEDER PRÄSENTIEREN!
Klar ist, hatte man einmal so ein furchtbares Erlebnis, will man nie wieder öffentlich sprechen. Die Abneigung ist grenzenlos. Man hat schon vorher gewusst, das wird eine Katastrophe und es war eine Katastrophe. Ha! Ich hatte Recht. Self-fulfilling-prophecy!
Die Redeangst landet nicht umsonst in diversen Umfragen auf Platz 1, zumindest findet sie sich meistens in den Top 5 der größten Ängste der Menschen.
Die Krux beginnt natürlich nicht bei der Präsentation am Tag X selbst, sondern weit vorher. Bei der fehlenden mentalen und praktischen Auseinandersetzung und Vorbereitung.
SELBSTVERTRAUEN IM KELLER!
Diese Dame flüsterte „Oh Gott!“ in sich hinein und ging dann nach ihrem Auftritt sehr klein mit Hut zurück zu ihrem Platz. Ein Mensch, der an sich vielleicht froh und selbstbewusst ist, war geknickt. In der Haltung sowie mental. Selbstvertrauen & Selbstbewustsein auf -100. Muss das sein?
Das Traurige ist, dass so etwas länger nachwirken kann. Vielleicht ist sie eine, die nach 2 Bier sagt, „Egal, nicht so gut gelaufen heute. Morgen ist ein neuer Tag.“ Vielleicht ist sie das aber eben nicht, vielleicht definiert sie sich über diesen Auftritt oder geht in Selbstzweifel unter.
Selbstzweifel können uns traurig machen, unsicher, depressiv, lustlos, abweisend, alles mögliche eben. Ja, Selbstzweifel sind normal, wir alle haben sie. Hier hätten sie vermieden werden können durch gezielte Hilfe im Vorfeld und weniger „wurscht-wie-Mentalität“.
CHANCE VERPASST!
Der Teufelskreis geht weiter. Fühle ich mich unsicher und bestätigt darin, dass ich das eh nicht kann, zu blöd oder eben untalentiert bin, nehme ich zukünftige Jobangebote, die Präsentationen beinhalten, erst gar nicht an.
Chance verpasst! Ich bleibe lieber in der Zone, in der ich mich sicher fühle. Präsentieren sollen bitte andere, denn ich werde mich nie als eine/-r jener Menschen sehen, die sicher, locker & natürlich vor anderen sprechen UND NOCH DABEI SPASS HABEN!
Fakt ist: gute Kommunikatoren wirken und verkaufen am Ende des Tages meist auch besser. Egal ob sie ein Produkt verkaufen, eine Dienstleistung oder eben eine persönliche Geschichte, die Emotion hervorruft und andere inspiriert.
SCHALTER UMLEGEN. JETZT!
Können wir bitte endlich beginnen, der Kommunikation an sich viel mehr Stellenwert einzuräumen. Kann das bitte ein Schulfach werden!
Können wir bitte endlich verstehen lernen, dass JEDE/-R präsentieren kann, weil wir alle täglich Geschichten erzählen und präsentieren nichts anders als eben das ist. Können wir bitte von völlig verkehrten, alt eintrainierten Regeln weggehen, die Menschen glauben lassen, sie müssen eine Doktorarbeit aus der eigenen Präsentation machen und daher – zu Recht – panisch werden.
Der Schalter muss sich umlegen. Es wird Zeit. Präsentieren muss Spaß machen und Freude bereiten. Der Weg dahin muss von Menschen aufgezeigt werden, die ihr Handwerk verstehen, empathisch sind und ein Gefühl dafür haben, was zur Person und in welches Setting passt. Das ist oft nicht der Chef. Nix gegen Chefs!
Abschließend, Präsentieren & Kommunizieren ein unfassbar wichtiges Thema ist, dass geschult und vorab überhaupt einmal entsprechend ins Bewusstsein gerückt gehört. Wir kommunizieren in JEDER SEKUNDE unseres Lebens. Immer.
Mein Job ist es – und das coache ich im Übrigen auch – Menschen, wieder zu sich selbst zurückzuführen, wenn es um die eigenen Worte und die eigene Sprache gehört. Mein Job ist es auch, ihre Stärken zu bestärken, damit das Selbstvertrauen wächst, dann flutscht das Präsentieren fast wie von selbst. Ganz ohne Begleitung kommt man da manchmal aber nicht hin.
Deshalb AUFRUF: bitte schickt eure Mitarbeiter oder wen auch immer nicht einfach so in eine Präsentation. Es kann mehr Schaden anrichten als sonst etwas. Helft und wenn ihr es selbst nicht besser wisst, kontaktiert entsprechende Leute, die wissen, was sie tun. Bitte. Danke!
2 Kommentare zu „Ein ernstes Wort! Was Präsentieren mit (Körper)Verletzung zu tun hat!“
Also ich weiß ja nicht was da abging, aber kann man nicht aus solchen Situationen lernen und trotzdem wieder vor Publikum treten? Also ich gehe nur von mir aus..
Liebe Evi!
Natürlich lernen wir aus solchen Situationen, aber es kommt eben stark auf den Charakter der Person an, die „da vorne“ stand. Sie kann auch daraus lernen und dementsprechend beschliessen, nie wieder vor anderen zu sprechen.
Und das nur, weil Betreuung & Vorbereitung gefehlt hat.
Wahnsinnig schade. Sie hätte das so locker und toll gemacht mit Hilfestellung, davon bin ich überzeugt.